Wir leben in einer Lernkultur, die dem Sprichwort folgt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Immer früher und ausgeklügelter versuchen wir, das Lernen von Kindern anzuregen und zu intensivieren.
Dieses Buch zeigt auf, wie gefährlich es ist, Reifungsprozesse einer verbesserten Denkfähigkeit zu opfern. Kindliche Reifungsprozesse werden durch Frühförderung nicht beschleunigt – im Gegenteil. Gerade das sorglose In-den-Tag-Hineinleben eines Kindes schafft den Rahmen für Reifung. Das Lernen kommt dabei nicht zu kurz, solange gewisse Voraussetzungen erfüllt sind:
- geliebte Menschen, die das Kind nachahmen will
- Beziehungen, die dem Kind Sicherheit und Geborgenheit vermitteln
- genügend Freiraum und Lernfelder zum freien Forschen
Im späteren Leben eines Kindes setzen wir es dem Konkurrenz- und Bewertungsdruck aus, um ihm die bestmöglichen Startchancen zu sichern, und vergessen, dass Verantwortungsgefühl, Einfühlungsvermögen, Interesse und Engagement Dinge sind, die wir keinem Kind beibringen können. Sie sind Früchte jenes Reifungsprozesses, den wir als Kultur aus den Augen verloren haben. Mit Anreizsystemen und Sozialtraining können wir dafür höchstens einen dürftigen Ersatz schaffen.
Dieses Buch zeigt auf, was Eltern und Lehrkräfte tun können, um diese Reifungsprozesse zu schützen und dem Lernen der Kinder jenen Kontext zu schaffen, der mit wenig äusseren Anreizen auskommt und wo Kooperation an erster Stelle steht und nicht Konkurrenz.